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Rede zum IDAHOBIT: Wir haben keine Bitten – wir kämpfen für unsere Befreiung

Rede einer Freiburger Bezugsgruppe von/aus trans und nicht-binären Menschen zusammen mit dem ignite! Kollektiv² auf der IDAHOBIT Kundgebung in Freiburg am 17.05.2021:

 

Heute zum internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Trans- und Queerfeindlichkeit (IDAHOBIT) interessieren sich plötzlich alle scheinbar für unsere Themen. Ob Weltbank, EU oder die SPD, alle wedeln fleißig mit der Regenbogenfahne.¹

https://publish.barrikade.info/IMG/jpg/idahobit_cc-by-nc-sa_4.0_4.jpg

Da kommt die Frage auf wieso wir uns heute eigentlich treffen wenn doch alle von Staat bis Kapital unsere Verbündeten sind? Wenn wir uns die Politik dieser Institutionen mit ihren Regebogenfahen jedoch an anderen Tagen anschauen, lässt sich das eher beantworten. Die SPD als Teil der Regierung hat das jahrzehntelange Verschieben einer Reform des sogenannten Transsexuellengesetz schon wieder verschoben. Die EU wiederum zieht weiter die Mauern hoch und lässt so auch queere Menschen auf der Flucht ertrinken oder schiebt sie ab. Generell verschärfen kapitalistische Ausbeutung und weltweite Ungleichheit die Diskriminierung und Gewalt gegen Queers überall.

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Unser Podcast „Neues aus dem Wald“ ist da!

Für die Kampagne gesellschaft*macht*geschlecht haben wir einen dreiteiligen Podcast zu den Themen Klimagerechtigkeit, community building und gemeinschaftliches Leben in (klima-) politischen Projekten produziert. Alle Teile gibt es jetzt hier zu hören.

In Folge 1 „Klimagerechtigkeit & Klimakämpfe“ leiten wir in die Thematik ein und beschäftigen uns damit, was Klimagerechtigkeit und Klimakämpfe bedeuten und wie dabei Solidarität funktionieren kann.

In Folge 2 „Erfahrungen aus der Klimabewegung“ wird es um konkrete Herausforderungen im Leben in politischen Projekten gehen – wie mit Repressionen von außen als auch internen Herrschaftsmechanismen umgegangen werden kann und was Gemeinschaften tun können, um (mehr) Autonomie und Resilienz zu generieren.

In Folge 3 „Kämpfe verbinden“ werden wir darüber sprechen, wie lokale Kämpfe globale Dimensionen bekommen können und stellen als ein Beispiel fürs Anknüpfen an indigenes Wissen Konzepte Transformativer Gerechtigkeit vor. Abschließend reden wir über die Corona-Krise, ihre verschärfende Wirkung auf soziale Ungerechtigkeit sowie das Potential der aktuellen Lage, Solidarität zu stiften und uns vor Augen zu führen, dass globale Herrschaftsmechanismen veränderbar sind.

Hört mal rein!

Wir freuen uns über Gedanken & Feedback an ignite@immerda.ch.

 

 

Februar ist Black History Month

Content Notice, CN (Hinweis zum Text): Der folgende Text beschäftigt sich mit Rassismus und erwähnt Polizeigewalt, Covid-19 und den Anschlag in Hanau 2020. Diese Themen können emotional belasten und triggern. Im Zweifel lest den Text nicht oder gemeinsam mit Freund*innen und achtet auf Euch.

 

Februar ist Black History Month. Der hat in einigen Ländern wie den USA und Großbritannien offiziellen Status und schafft einen Rahmen für das Erinnern an Schwarze Persönlichkeiten wie etwa Schwarze Bürgerrechtler*innen und die Geschichte_n Schwarzer Menschen, die auch – aber bei Weitem nicht nur – eine Geschichte der Versklavung und Gewalt ist. Die 2020 um die Welt gegangenen Zeugnisse von (Polizei-)Gewalt und Morden gegen BIPoC (Black, Indigenous and People of Color – zusammenfassende Selbstbeschreibung für Menschen, die von Rassismus betroffen sind aus US-Kontext) und die Black Lives Matter-Bewegung verleihen den Anliegen des Black History Month dieses Jahr besondere Aktualität.

2020 und folgende sind eine fordernde Zeit für BIPoC. (Polizeilicher) Rassismus war auf der Straße, und nun auch vermehrt in den Medien allgegenwärtig (nicht immer gelungen, wie zuletzt bei „Die letzte Instanz“ des WDR – besser, nein, am besten!, macht‘s “Die beste Instanz” mit Enissa Amani). Auch sind marginalisierte Menschen wie BIPoC mehr von der Pandemie betroffen – konkret gesundheitlich, aber auch zusätzlich aufgrund von durch die Jahrhunderte gewachsenen Verflechtungen von Rassifizierung mit verschiedenen anderen Diskriminierungsformen wie Klasse/Armut/Arbeit und Gesundheit/Be_Hinderung.

„I can‘t breathe!“

Die verschiedenen Effekte und Erscheinungsformen von Rassismus – Ermordung durch Cops, das Ertrinken im Mittelmeer, das Erkranken und Sterben an Krankheiten wie z.B. Covid-19, besondere Ausgesetztheit gegenüber Umweltschäden und Klimawandel,… – beschreibt die Rassismusforscherin Vanessa Thompson mit Rückgriff auf den französischen antikolonialen Theoretiker Frantz Fanon als die “Verunmöglichung von Atmen”.

Für uns ist der Black History Month dieses Jahr Anlass, uns mit der Geschichte der Theorien und Praxen, die uns wichtig sind und mit denen wir arbeiten, zu beschäftigen. Denn viele der Ideen, auf die wir – Teil feministischer, klimapolitischer, linker und alternativer Subkulturen – bauen, wurden von indigenen und Schwarzen Menschen und Gemeinschaften of Color entwickelt und geprägt.

Das gilt zum Beispiel für das Konzept Intersektionalität, geprägt von der Schwarzen US-Juristin Kimberlé Crenshaw, die das Zusammenspiel verschiedener Positionierungen (ursprünglich: race, class & gender) beschreibt. Dieses beruht wiederum auf den Erfahrungen (radikaler) Schwarzer Frauen, die weder vollständig im weiß dominierten Feminismus und Sozialismus noch in der männerdominierten Schwarzen Befreiungsbewegung oder der liberalen Organisierung Schwarzer Frauen aufgingen (vgl. z.B. Combahee River Collective, A Black Feminist Statement, 1977). Intersektionalität ist ein Meilenstein für mehrfachdiskriminierte Menschen, um sich ihre politische Lage erklären und sie beschreiben zu können. Diese politische und auch akademische, … Arbeit ist die Grundlage, auf der wir heute verschiedene Formen von Diskriminierung überhaupt zusammendenken und Kämpfe gegen einzelne Formen von Diskriminierung und für Emanzipation vereinen können.*

Ähnlich verhält es sich mit unseren Herzensthemen Transformative Gerechtigkeit (TG) und Gemeinschaftlicher Verantwortungsübernahme (Community Accountability): Sie beruhen auf den jahrhundertealten Praxen restaurativer Konfliktlösungsprozesse indigener Gemeinschaften in Nordamerika und der Maori, wurden weiterentwickelt von US-Abolitionist*innen und Queers of Color. Wir wollen euch zwei tolle (englischsprachige) Texte zu den komplexen und wichtigen Auseinandersetzungen um TG hier empfehlen:

Aber auch andere Gebiete wie nachhaltige Landwirtschaft und Permakultur sowie verschiedene Musikgenres haben ihre Entstehung in BIPoC-Kultur_en, und werden nach einiger Zeit als Konsumgut für und zum Profit weißer* Menschen kommerzialisiert.

Was bedeutet es also für uns als linke Leute in einem weiß dominierten (Szene-) Umfeld, in der Uni, in der Besetzung, im Lesekreis oder Autonomen Zentrum, in Theorie & Praxis mit Schwarzem Wissen zu tun zu haben?

Für uns sind Ansätze hierzu, uns mit Geschichte und Kultur von BIPoC, und im europäischen/deutschen Kontext auch insbesondere mit jüdischen, migrantisierten und Geflüchtetenperspektiven auseinanderzusetzen, dazu zu recherchieren, lesen & zuzuhören (Tipp: BIPoC Projekten & Leuten auf Twitter/Mastodon folgen!). Kämpfer*innen und Theoretiker*innen sichtbar(er) zu machen und ihre Ideen zu verbreiten. Uns zu bemühen, unsere Angebote für alle zugänglich(er) zu machen, z.B. durch Mehrsprachigkeit und Übersetzungen. Repression aus Perspektive rassifizierter Perspektive mitzudenken, Wissen dazu zu teilen, Geld & praktischen Support zu geben (z.B. über den A Fund). Zu versuchen, unsere von weißer Hegemonie geprägten Verständnisse bestimmter Begriffe und Handlungen abzulegen und unser Bewusstsein für neue Prioritäten, Bedeutungen und Verständnisse zu öffnen (z.B. Spiritualität). Ernst zu nehmen und zu unterstützen, was Schwarze Abolitionist*innen forder(te)n – zum Beispiel eine unversöhnliche Kritik an Polizei, Repression & Knast aufrechtzuerhalten, auch wenn diese vielen (gerade) nicht (lebens-)bedrohlich erscheinen, weil sie weiß und auch anderweitig privilegiert sind. Ein Überblick über abolitionistische Forderungen findet sich im Text „Burn down the American Plantation. Call for a Revolutionary Abolitionist Movement“.

Das sind einige Überlegungen & Praxen von uns, den Wurzeln von TG und vor allem BIPoC-Mitstreiter*innen im Hier und Jetzt gerecht zu werden. Wir haben offensichtlich nicht den Masterplan, unsere Gedanken und Praxis dazu sind ein fortlaufender Prozess. Wir freuen uns über Gedanken und Kritik dazu im solidarischen Austausch.

Diesen Februar jährt sich auch der Anschlag von Hanau am 19. Februar 2020, als ein rassistischer Mörder gezielt 9 migrantisierte Menschen erschoss. Auch ein Jahr später bleiben wichtige Fragen um den Umgang der Sicherheitsbehörden unbeantwortet: Wieso konnte der Notausgang der Arena Bar, vermutlich zwecks polizeilicher Razzien, verschlossen werden? Warum kamen die vielen Notrufe der Opfer und Überlebenden während der Tatnacht nicht durch? Warum wurden die Ermordeten gegen den Willen ihrer Angehörigen obduziert? Warum erhielten die Angehörigen Gefährderansprachen, während der Vater des Täters seinen Sohn in Schutz nimmt und gegen das Gedenken hetzt?

Hanau erfüllt uns mit Trauer, Wut und Unverständnis. Wir fordern Aufklärung und sind in Gedanken bei den Überlebenden und Angehörigen und allen, die seit Hanau Angst haben.

Und wir freuen uns über die Gedenkveranstaltungen und vor allem die Projekte, die aus der Selbstorganisierung der Angehörigen entstanden sind, z.B. die Bildungsinitiative Ferhat Unvar (auf Twitter @BI_FerhatUnvar).

 

#saytheirnames

Kaloyan Velkov

Fatih Saraçoğlu

Sedat Gürbüz

Vili Viorel Păun

Gökhan Gültekin

Mercedes Kierpacz

Ferhat Unvar

Said Nesar Hashemi

Hamza Kurtović

 

Erinnern heißt kämpfen!

 

 

* Beispiel aus der Klimagerechtigkeitsbewegung: Das Zine “Kämpfe zusammen_führen. Warum Klimawandel kein Ökothema ist

* weiß wird in diesem Text klein und kursiv geschrieben, um darauf hinzuweisen, dass Weißsein die unhinterfragte Norm in einer rassistischen Gesellschaft ist, während Schwarz, da es eine positive Selbstbezeichnung ist, groß geschrieben wird.

Jahresrückblick 2020 / 2020 review

Das Ende des Kalenderjahrs wollen nutzen, um zurückzuschauen und uns dafür zu feiern, was wir dieses Jahr geschafft haben.

Im Januar konnte, noch unbeeinflusst von der Corona-Pandemie, unsere Schweiz-Tour mit Workshops in Zürich, Winterthur und Basel stattfinden. Für das ABC Fest Wien, das Hambi Frühjahrs-Skillshare und die Potsdamer AKPDSU* haben wir unsere Inhalte dann erstmals in digitale Formate übersetzt. Auch unter Corona-Bedingungen konnten wir dann später im Jahr einige Präsenz-Workshops durchführen, zum Beispiel in Passau, Tübingen, bei der UnKonferenz Feministische Wege in die Utopie(n) in Hannover, in Freiburg und Reutlingen, beim Hambi Herbst-Skillshare und mehrfach im Dannenröder Wald, und haben mit Reden zu Demos in Tübingen und Freiburg beigetragen. Anfang des Jahres hat das Kollektiv zu unserer großen Freude Zuwachs bekommen und wird immer häufiger künstlerisch von RabiaTin begleitet. Ausgelöst von den Black Lives Matter-Protesten in den USA und anderswo haben wir einen neuen Workshop zu Polizeikritik entwickelt und schon mehrfach gehalten. Außerdem haben wir den Workshop „Choose Your Dependencies – Warum wir alle in Gemeinschaftsökonomien leben sollten“ ins Programm aufgenommen. Zusätzlich haben wir uns erstmals an einige digitale Projekte gewagt, haben einen Podcast zu Klimagerechtigkeit für die Kampagne “Gesellschaft.Macht.Geschlecht” des freien zusammenschluss von student*innenschaften produziert, uns an Podcasts von Ende Gelände (bald hier: https://www.ende-gelaende.org/podcast/), dem Freien Sender Kombinat Hamburg und weiteren beteiligt. Ein dieses Jahr entstandener Text zu Transformativer Gerechtigkeit ist in der November-Ausgabe der Zeitschrift der Anarchistischen Föderation Gǎidào veröffentlicht worden, für das Magazin „ThUg – Theorie und Ungeduld“ der Falken haben wir einen Artikel zu Strafkritik geschrieben. Dazu kommen unzählige – oft anlassbezogeneBeratungsgespräche in Person und am Telefon zu Umgängen mit (sexualisierter) zwischenmenschlicher Gewalt.

Die Corona-Pandemie und ihre sozialen Folgen, die Kontinuität von Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen auch vor der Weltöffentlichkeit, die aktuelle Kumulation der EU-Grenzpolitik in Moria und auf dem Balkan, und auch heftige Rückschläge in lokalen Kämpfen wie der Verlust des anarcha_queer_feministischen Hausprojekts Liebig34, die gewaltvolle Räumung der einjährigen Waldbesetzung und die Rodung im Danni sowie die sich immer wieder zeigende Notwendigkeit von Antworten auf sexualisierte Gewalt in unseren eigenen Räumen und Beziehungen auch in diesem Jahr haben uns traurig und wütend gemacht. All dies zeigt uns aber auch, wie wichtig es ist, unsere Kämpfe weiterzuführen und den gesellschaftlichen Verhältnissen etwas entgegenzusetzen. Danke an alle, die uns dabei Mut machen, inspirieren und unterstützen. Auf ein widerständiges 2021!

Feministische Grüße,

das ignite! Kollektiv

 

 

ENGLISH VERSION

We want to take this time at the end of the calendar year to look back and celebrate ourselves for what we have accomplished.

In January, still unaffected by the Corona pandemic, we were able to go on our Swiss tour with workshops in Zurich, Winterthur and Basel. We then translated our content into digital formats for the first time for ABC Fest Vienna, Hambi Spring Skillshare and the AKPDSU* Potsdam. Under Corona conditions, we were then able to hold some presence workshops later in the year, for example in Passau, Tübingen, at the UnConference Feminist Paths to Utopia(s) in Hannover, in Freiburg and Reutlingen, at the Hambi Autumn Skillshare and several times in Dannenröder Wald, and contributed with speeches to demos in Tübingen and Freiburg. At the beginning of the year, to our great joy, the collective has grown and projects have more often been accompanied by the art of RabiaTin. As a response to the Black Lives Matter protests in the U.S. and elsewhere, we developed a new workshop on police critique and have already held it several times. We also added the workshop „Choose Your Dependencies – Why We Should All Live in Communitarian Economies“ to our program. In addition, we ventured into some digital projects for the first time, produced a podcast on climate justice and community building for the campaign „Gesellschaft.Macht.Geschlecht“ of the german-wide student union fzs, participated in podcasts of Ende Gelände (soon here: https://www.ende-gelaende.org/podcast/), the Freies Sender Kombinat Hamburg and others. A text we wrote this year on transformative justice was published in the November issue of the magazine of the Anarchist Federation Gǎidào and we wrote another one on punitive critique for the magazine „ThUg – Theorie und Ungeduld“ of the Falken. In addition, we held countless – often occasion-related – counseling sessions in person and on the phone on dealing with (sexualized) interpersonal violence.

The Corona pandemic and its social consequences, the continuity of police violence against BiPoC in front of the world public and the current cumulation of EU border policies in Moria and the Balkans, as well as setbacks in local struggles like the loss of the anarcha_queer_feminist house project Liebig34, the violent eviction of the forest occupation and cutting in Danni and the ever-present need for responses to sexualized violence in our own spaces and relationships this year have made us sad and angry. But these also show us how important it is to continue our struggles and to do something to counter the status quo. Thank you to everyone who encourages, inspires and supports us in this. Here’s to a resistant 2021!

Feminist greetings,

the ignite! collective